Ein Vierteljahrhundert nach dem Fall des Eisernen Vorhangs veröffentlicht das Institut für das Studium totalitärer Regime (Ústav pro studium totalitních režimů) im Band „Praha objektivem tajné policie (Prague Through the Lens of the Secret Police)“ Fotos der tschechischen Geheimpolizei. Als Dokumente der „Phase der Normalisierung“ nach dem Prager Frühling zeigen sie uns ein ziemlich graugesichtiges Prag. Einführende Essays fragen nach der ästhetischen Qualität dieser eigentümlich düsteren Form der Street Photography und legen historische und technische Fakten frei.

Nur 14 Mitarbeiter beschäftigte die Geheimpolizei 1948, im Jahr der Gründung der sozialistischen Tschechoslowakei, im Lauf ihrer kurzen Geschichte wuchs der Überwachungsapparat kontinuierlich an, und zur Zeit der Samtenen Revolution gebot der kommunistische Krakenstaat über ein Spitzelheer von knapp 800 Mitarbeitern.
Freilich blieben die technischen Möglichkeiten der damaligen Zeit begrenzt, und so mussten die Spione ihre noch analogen Kleinstkameras in präparierten Koffern oder Taschen verstecken. Beim ersten Durchblättern erscheinen dem Betrachter die oftmals unbeholfenen Aufnahmen denn auch wie Dokumente aus einer ganz fernen Zeit. Die ungemeine Distanz wirkt folglich zum einen historisierend, zum anderen rückt sie die Fotografien ganz unfreiwillig in einen neuen Wahrnehmungshorizont: Die orwellsche Perspektive trifft auf den genius loci der böhmischen Metropole und verwandelt die Aufnahmen in eine pervertierte Form der Street Photography.
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