Gleich dahinter: Das Göttliche
Der Hamburger Fotograf Tom Jacobi kam über Glamour- und Reportage-Themen des Stern-Magazins spät zur Landschaftsfotografie. Zunächst im Band „Grey matter(s)“, schließlich und aktuell im Band „Into the Light“ des Münchner Hirmer-Verlages. Dafür bereiste Jacobi die ganze Welt und aktualisierte ganz nebenbei eine vielschichtige romantische Lichtbildner-Tradition.
Angekommen im Polargebiet, schreibt die Frau des Fotografen Tom Jacobi: „Neugierig wie die Pinguine waren wir gekommen, in einem Schwebezustand verlassen wir diesen magischen Ort. Dankbar und demütig, dass uns diese sensible Welt einen Blick hinter ihre Kulissen gestattet hat. Was für ein Priveleg.“ Der Antrieb des Wahl-Hamburgers und einstigen Art Director des Wochenmagazin Sterns, soviel lässt sich schon feststellen, kommt wirklich nicht aus dem Profan-Alltäglichen, sondern entspringt einer mythisch-romantischen Weltsicht. Man kann natürlich auch sagen: Es geht um den Blick hinter den Schleier der Maia und die Arbeit der Natura naturans.
Formal ist die Ästhetik nicht neu. Sie erinnern an die skandinavischen Eindrücke von Marco Paoluzzo in Terra Borrealis, an die schweigsamen Meditationen von Michael Kenna oder auch – natürlich – an die High-Key-Aufnahmen von Josef Hoflehner. Wie diese setzt Jacobi auf das gediegene Mittelformat. Im Gepäck fand sich denn wohl wieder wie bei bei den Fotografien für Grey matter(s) moderne Technik in Gestalt der Pentax 645Z. Die unterstützte Jacobi nicht nur hochauflösend, sondern auch sehr robust und in widrigsten Verhältnissen. Nicht nur in der Antarktis.
Die Natur als Gottesdienst
Überhaupt beeindruckt der Band durch die Vielzahl der Landschaftsaufnahmen aus aller Herren Länder. Nicht nur nördliche Gefilde wurden erkundet, sondern auch Brasilien, Ägypten, Australien, Kanada – nun ja, im Grunde der ganzen Globus. Die Messlatte hat sich Jacobi sehr hoch gehängt, fällt einem bei diesen weltweiten Erkundungen ja eigentlich nur Sebastião Salgados Magnum Opus Genesis ein.
Die Fährte, die zu Salgado führt, ist freilich eine doppelte. Es geht nicht nur um die Natur, sondern auch um das Numinose dahinter. Hier die Schöpfung der Welt in all ihren Ausprägungen in bildgewaltigen Doku-Bildern, dort die Tradition moderner Landschaftsaufnahmen, die Jacobi frei nach Caspar David Friedrich als Gottesdienst in der Natur inszeniert.
Ein Weg fotografischer Romantik
Auch steht hier Tom Jacobi in der Tradition eines anderen Romantikers, nämlich des Wahl-Hamburgers Alfred Erhardt. Der hatte in seinen fotografischen Meditationen das Watt in Ausschnitten ikonisch dokumentiert und ganz im Sinne der deutschen Romantik als Träger des „Organischen Ganzen“ in der sichtbaren Natur präsentiert. Ging es Erhardt in quadratischen und zunehmend abstrakten Vollformat-Miniaturen um Oberflächenstrukturen, Bewegung und Rhythmus, also dem Zusammenspiel von Natur- und Kunstform, bemüht Jacobi die Totale: In weitwinkligen Aufnahmen und im strahlend-leuchtendem Weiß zeigt er uns in einem sich wiederholenden Bilderreigen ein artistisches Spiel aus Licht und Sand, Sonne und Schnee, Wolken und Strahlen. Und auf jedem dieser Bilder ahnt der Betrachter: Das Göttliche als ordnendes Prinzip ist gleich dahinter.
Freilich ist diese Suche nach dem Numinosen nicht die erste in Jacobis Werk. Schon im Zyklus Where Gods resides erkundete der Hamburger, noch Fußtief im Bildjournalistischen steckend, Orte des Religiösen in Israel, China und Japan. In The Light Within nahm sich demgegenüber schon symbolischer aus, sie zeigen yogaartige Variationen des von C. D. Friedrich bekannten Themas vereinzelter Menschen vor erhaben-mystischer Landschaft.
Das alles ist mit Blick auf Tom Jacobi nicht ohne Ironie. Von den nervösen und dunklen Zügen deutscher Romantik ist der einstige Art Director des Stern denkbar weit entfernt. Sicher und charmant im Umgang mit Stars und Sternchen, ein Sonny Boy, eloquent und weitgereist, liegt hier eine denkbar ungewöhnlicher Weg in die deutsch-romantische Bildkunst vor. Und gerade deshalb ist der durchgängig atemberaubende Bildband nicht nur sehenswert, sondern auch lehrreich. Tom Jacobi lässt sie uns erahnen, die Sehnsucht nach Transzendenz in nachmetaphysischer Zeit.