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Immer noch analog unterwegs. Warum eigentlich?

Die Möglichkeiten digitaler Fotografie und Bildbearbeitung übersteigen die in der Dunkelkammer bei weitem, und doch war und bin immer noch gerne mit der Nikon F100 unterwegs. Ken Rockwell nennt sie, gleich nach der Nikon F6, die zweitbeste DSLR auf der Welt, und auch mir bescherte sie, lange bevor ich mir das digitale FX-Pendant D700 zulegte, ein Gefühl des fotografischen Angekommenseins. Endlich richtige Profi-Haptik in den Händen, endlich weg von den klassischen Consumer-Schrauben Marke „Portrait“, „bewölkt“ & „Blitz“.

Die Kirche St. Cyrill und Method im Sommer 2012
Die Kirche St. Cyrill und Method im Sommer 2012

Gründe gibt es immer noch für die analoge Fotografie.

Als ersten guten Grund kann man die disziplinierende Wirkung des Filmes anführen. Wem nur 36 Aufnahmen zur Verfügung stehen, tut gut daran, sich vor dem Drücken des Auslöser genau über Komposition und Belichtung Gedanken zu machen. Analoges Fotografieren definiert so in Zeiten von Handy-Schnappschüssen und voluminösen Speicherkarten Fotografie als kreativen Prozess und bringt ihn so zu Bewusstsein

Blick vom Smetana-Denkmal

Weiteres ergibt sich aus dem Angeführten und gehört ins Philosophische. Der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer empfiehlt, mitunter einen Bleistift einfach nur mit einem Messer zu spitzen, um der Hektik des Alltags ein Schnippchen zu schlagen. Ähnlich sorgt die analoge Fotografie für Entschleunigung und macht im Zeitalter pixelgetriebener Bildbearbeitung Fotografie unmittelbarer erfahrbar: Der Film wird eingelegt, es wird fotografiert, und der Prozess der Entwicklung dauert je nach Handhabung eine gewisse Zeit.

Auf dem Fuji Neopan die Karlsbrücke abgelichtet.
Auf dem Fuji Neopan die Karlsbrücke abgelichtet.

Eine Zen-Weisheit besagt „Wenn ich gehe, gehe ich, wenn ich esse, esse ich, und wenn ich schlafe, schlafe ich.“ Es geht also um Achtsamkeit. Da ist der Kollege, der in der Kantine achtlos sein Essen in sich hineinschlingt und beim Kauen immer noch seine Bilanzen noch im Kopf hat. Oder der Jogger, der lieber der Musik seines MP3-Players lauscht als sich der meditativen Ruhe beim Laufen hinzugeben. Oder eben der Knipser, der Motiv um Motiv fotografiert und gedanklich immer schon beim nächsten Bild ist. Sie alle haben, wenn man so will, ihre Mitte verloren.

Die analoge Fotografie mag dabei helfen, diese wiederzufinden, zumal die Produktionsästhetik dabei zur Hilfe kommt. Spätestens wenn Sie die entwickelten Fotos in Händen halten, bekommen Sie ein Gefühl dafür, was Fotografie eigentlich bedeutet und all die Jahre, bis zur digitalen Revolution, eigentlich war: Ein ästhetisch forderndes Hand-Werk.

Frühling auf dem Petřín (Laurenziberg). Kamera: Nikon F100 & Sigma 28mm; Film: Kodak Portra 160

Wer die Möglichkeit hat, einen entsprechenden Kurs zu besuchen, sollte sie nutzen. Das analoge Kleinbild-Format mag dem digitalen APS-C- und Vollformat in vielerlei Hinsicht unterlegen sein, doch erst die analoge Fotografie ebnet den (bezahlbaren) Weg zum hochwertigeren Mittelformat. Will man Michael Kenna, Josef Hoflehner oder Hannes Caspar nacheifern, sollte man dies analog tun – oder bei seinen digitalen Ambitionen sehr reich sein. Gerade die Bilder der genannten Fotografen wirken wie eine Bestätigung der eben gemachten Gedankengänge: Denn täuscht der Eindruck, oder scheint gerade von ihren Werken eine besondere Stille, Tiefe und meditative Ruhe auszugehen?

 

 

 

 

 

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