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Autor: Tonda

Das Durcheinander der Moderne

Berühmt wurde der Fotograf Josef Koudelka durch die Bilder vom Prager Frühling und die Aufnahmen von Roma in der Tschechoslowakei und Frankreich. Mit dem 1999 vorgelegten Band „Chaos“ folgte ein Bruch: Koudelka ließ das 35mm-Format hinter sich und öffnete sich der Panorama-Fotografie. Einher ging dieser Wechsel mit einer neuen Bildsyntax, die in ihrer Abstraktheit die Moderne soziologisch-philosophisch reflektiert.

Koudelka - Chaos
© Delpire-Verlag. Josef Koudelka – „Chaos“.  EAN: 9782851072207

Josef Koudelkas hohe fotojournalistische Darstellungskunst entstand im Spannungsverhältnis der totalitären Erfahrung sowie der darauf folgenden Flucht in die Heimatlosigkeit des Westens. Übersehen wird dabei oft, dass im Grunde schon vor der Emigration die Empathie mit dem Fremden und Anderen zum Movens seiner poetischen Bildsprache wurde: Um das Leben der wandernden und sesshaften Roma in der Tschechoslowakei nah und authentisch zu dokumentieren, wuchs Koudelka gleichsam in ihre Lebenswelt hinein, schlief, aß, litt und lachte bei ihnen. Als journalistisches Dokument gehört der Band Roma in seiner melancholisch-intimen Bildsprache zu den Höhepunkten der Fotokunst des 20. Jahrhunderts, selbst zum Heimatlosen wurde Koudelka schließlich nach dem Prager Frühling. Der Fotograf floh und arbeitete von nun an als einsamer Wanderer in aller Herrn Länder, bildpoetisch reflektiert hat der Tscheche diese Erfahrungen im Band Exiles.

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Eine Art Familienalbum

Der Fotograf Jan Saudek ist ohne Zweifel das große enfant terrible innerhalb des tschechischen Kulturbetriebs. Nach Rang und internationaler Bedeutung kann er, trotz extrem unterschiedlicher Ikonografie, als Erbe Josef Sudeks gelten. Eine große Werkschau liefert der Band „Saudek“ des slowakischen SlovArt-Verlages, welcher streckenweise wie ein bildgewaltiger Parforce-Ritt durch die freudianische Psychoanalyse anmutet. Eine Skizze.

Jan Saudek
© SlovArt-Verlag. Jan Saudek – „Saudek“. ISBN: 9788073919825

Als sich 1998 der Epilog im Leben und Werk Jan Saudeks ankündigte, erfolgte noch einmal eine Art kulturelle Mobilmachung. Die Ausstellung im Prager Gemeindehaus brachte Massen an Besuchern, unzählige verkaufte Bilder und natürlich eine Resonanz über die Landesgrenzen hinweg. Keine Frage, von den zeitgenössischen tschechischen Fotografen ist Jan Saudek der beliebteste, präsenteste und nach wie vor provozierendste, und der Rang, der ihm gebührt, speist sich ausschließlich aus seinen Aktaufnahmen, jenen absonderlichen, surrealen, bizarren und mitunter auch offen pornografischen colorierten Fotografien.

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Böhmisches Schweigen

Der tschechische Fotograf Jan Reich starb 2009 im Alter von 67 Jahren in Prag. Zeit seines Schaffens fotografierte er mit dem Rücken zur Moderne überwiegend Landschaften und die tschechische Hauptstadt. Hinterlassen hat er ein Werk, das geprägt war von den Erfahrungen des Schwundes in einer sich wandelnden Welt. Heute kann Jan Reich auch im europäischen Kontext als einer der letzten großen Romantiker der Fotografie gelten.

Jan Reich Bohemia
Jan Reich – Bohemia. Herausgegeben von Jana Reichová. ISBN: 80-903611-0-2

Über 40 Jahre währte das Schaffen des tschechischen Fotografen Jan Reich, zusammen mit Josef Sudek und Jan Saudek gehörte er, jeder auf die eigene, zum Teil exzentrische Weise, zu den romantisch inspirierten Lichtbildnern Tschechiens. Unverdrossen in seiner Rückwärtsgewandtheit, trennte ihn von Josef Sudek die experimentelle Vielfalt ebenso wie die unbekümmerte Anverwandlung von Moderne und Urbanität; vom exaltierten Jan Saudek die Lust am Absonderlichen wie am Perversen.

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