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Autor: Tonda

Archäologie des Augenblicks

Das Sudek Project des Kunsthistorischen Instituts der Tschechischen Akademie der Wissenschaften sammelt und sammelt – vor allem Bilder des großen Josef Sudek. Zu den bemerkenswertesten Veröffentlichungen gehört der 2018 erschienene Band „Josef Sudek: Topography of Ruins“, worin der einarmige Fotograf die Verheerungen des Zweiten Weltkriegs in Prag dokumentierte.

Josef Sudek
© Vlado Bohdan, Institute of Art History of the Czech Academy of Sciences

Das Sudek Project macht es ich zur Aufgabe, das Werk Josef Sudeks zu sammeln, zu ordnen und zu systematisieren. Denn was bisher bekannt ist, ist nur die berühmte Spitze des Eisbergs. „The aim of the project is the comprehensive preservation, physical and digital conservation, specialist processing, evaluation, and presentation to the wider public of a collection comprising some 13 500 negatives and 6000 positives made by Josef Sudek, mostly dating from the period 1930–1960, which is kept in the collections of the Institute of Art History of the Czech Academy of Sciences.“

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Bruchlinien der Moderne

Das Buch ist mit den kompakten Maßen für einen Fotoband eigentlich zu klein und das geniale Cover hätte man gerne als Poster. Aber man soll ja Bücher nicht nach Äüßerlichkeiten beurteilen. Was sehen wir also, wenn wir den Band Fragments of Metropolis aufschlagen? Architektur des Expressionismus in Osteuropa natürlich, fotografiert vom Architekten Niels Lehmann. Und vor allem: Die schöne Moderne vor dem Siegeszug des Bauhauses.

Dass sich die zeitgenössischen politischen Bruchlinien durch die Architektur-Debatten ziehen, ist bekannt. Erwähnenswert ist das publizistische Ringen um die neue alte Frankfurter Altstadt und das Für und Wider in Baumeister, FAZ und Welt. Was den einen als gebaute Geschichtsklitterung schien, war den anderen Rückkehr zu altem Formbewusstsein und Schönheit.

FRAGMENTS OF METROPOLIS – EAST | OSTEN. Das expressionistische Erbe in Polen, Tschechien und der Slowakei. © Hirmer-Verlag, München. ISBN: 978-3-7774-3092-8

Wie interessant, dass sich die publizistischen Frontverläufe auch in Sachen Expressionismus wiederfinden – zumindest virtuell. In der Januar-Ausgabe des Cato-Magazins war es Karlheinz Weißmann, der sich in seiner Kolumne Genius Loci dem architektonischen Expressionismus widmete und das Chilehaus in Hamburg als schönes Stück traditionsbewusster Avantgarde interpretierte. Auf der anderen Seite die SPD-Politikerin Gesine Schwan, die im Vorwort zum hier besprochenen Band die Fahne von Fortschritt und Diversität schwenkt.

Was aber ist aber plausibler? Blickt man durch den Band, ruft man sich gar die Gebäude beim Flanieren in Erinnerung, wird einem klar, dass die Bauten sich noch durchaus in bestehende Bauensembles einfügen – in Prag und anderswo, auch wenn die Formensprache sich von Historismus und Jugendstil entfernt hat.

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Die Ästhetik des schönen Scheins

Der Fotograf Angelo Purgert veröffentlichte schon 2011 seinen Band „Prvni Rebublika“. Heuer, zum hundertsten Jahrestag der Republikgründung der Tschechoslowakei, wird der Band im edleren Gewand neu veröffentlicht. Zu sehen gibt es fotografische Beschwörungen der Goldenen Zwanziger in und um Prag. Im Gemeindehaus, im Hotel Art Deco oder im Lucerna. 

Angelo Purgert: Die Erste Republik

Die Annäherung an das Thema war für den Prager Fotografen Angelo Purgert unkonventionell. Purgert wollte keine zeitgenössischen Aufnahmen aus den Zwanziger Jahren aus Prag oder anderswo studieren, sondern verließ sich ganz auf das vermittelte Bild dieser vermeintlich glorreichen Zeit. Für das Projekt bedeutete das die Absage an einer Form fotografisch-historischer Aufführungspraxis. Wäre Purgert dergestalt verfahren, hätte er auf das starre und ungelenke Großformat setzen müssen. Das tat er aber nicht, sondern arbeitete offenkundig mit dem Vollformat gängiger Canon- oder Nikon-Modelle. Die Feststellung ist keine Marginalie, denn im Medium von Spiegelreflexkamera und Photoshop ist die Wahrnehmung –  der Blick zurück in die Zwanziger – schon gebrochen.

Blättert man durch den Band, fällt die eigentümliche Gestelztheit und Inszeniertheit der Bilder auf. Posen, Gesten oder Lächeln wirken oftmals überbetont, gekünstelt, unecht. Angelo Purgert ging es also von vornherein nicht um eine raunende Inszenierung der Roaring Twenties, sondern die Mannequins sollten einfach nur so tun, als wären sie im Prag der Zwanziger Jahre. Das Wie ist in Wahrheit das Als ob.

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